Bericht in Sachen Niergolzing.II/n

Martin Wingerter, Ermittler.

1. Oktober 2002, 10:10 Uhr Büro Süd des PND, Jockgrim, Südpfalz

„Die Frage an Sie, Schlicher ist nun folgende: Handelt es sich bei diesen Niergolzingern in der Tat um drei verschiedene Personen?" begann Schmenger energisch die Aufgaben zu verteilen.

„Hat tatsächlich eine Wanderung stattgefunden oder ist das Ganze eine perfide Fiktion?" Seine stahlgrauen Augen auf mich gerichtet, den dicken Filzzstift entkappend trat Schmenger an den Flipchart am Kopfende des ovalen Besprechungstisches. „Ich glaube nicht an tatsächliche, körperliche Anwesenheit" sagte ich schnell, eine kleine Flasche Bellaris des Kronenkorkens entledigend. Die Flaschen standen, zusammen mit Gläsern, auf einem grünen Plastiktablett mit hohem Rand in der Mitte des Tisches. Merziger Apfelsaft, Coca Cola, Vaihinger Orangensaft und eben das Mineralwasser aus Bellheim.  Leider war das Cola weder light noch gekühlt. Mineralwasser verstärkt fatalerweise noch den schlechten Geschmack im Mund, aber warme Cola ist keine Alternative.„In Landau gibt es keine Jugendherberge". Ich hatte mich noch kurz vorher schlau gemacht. „Zumindest die Lokalitäten sind fiktiv".

Schmenger nickte anerkennend. Niergolzinger hatte er mittlerweile mit dickem, schwarzen Filzstift auf das weiße Blatt gelettert. Darunter, etwas kleiner und jeweils elliptisch eingekreist die drei Worte wieviele – wer – warum? Als hätte er einen längeren Denkvorgang erfolgreich abgeschlossen meldete sich der „Gebrauchte" mit einem leichten Räuspern zu Wort: Es wäre vielleicht sochdienlich, die endsbrechenden Öloborode mol genauer ünder die Lüpe zü nähmen." Umständlich begann er den Overheadprojektor auszurichten. Neben dem, von mir schon gelesenen Ausdruck warf er noch zwei untereinander kopierte „Elaborate" wie er sie nannte auf die heruntergezogene Projektionswand:

drei niergolzinger wandernieren,
zur zeit auf pfälzer weinlehrpfaden.

früh aufgebrochen, nach knoblauch gerochen,
im schweinsgalopp zur sauburg rauf.

durstige kehlen streben zur labung
im frühherbstlichen gold.

Pennthaus im Trio unterwegs * - 18.09.02 at 12:34:43

Der dritte Tag führt uns auf das Weinfest in dem beschaulichen Oberotterbach. Wir haben Probleme. Anton hat sich einen Wolf gelaufen, Pennthaus laboriert an einem wieder ausgebrochenen inneren Kummer; mir selbst geht es nicht besser - meine Eingeweide brennen, die Magenwände sind wundgescheuert und alles ist völlig übersäuert.

Wir nehmen also umständlich an der Garnitur Platz und bestellen frische Schoppen und e Pälzer Veschperplatt. Die Gläser hier haben von oben bis unten tiefe Einbuchtungen, dadurch soll die Griffigkeit erhöht werden. Ein älterer Pälzer mit verpinkelter Hose verst uns sogleich an: "De Dorscht, der macht erscht richtig Spaß, hoscht so e Pälzer Dubbeglas!" Dann lacht er etwas debil und will sofort mit uns anstoßen. Dieser Vorgang mißlingt deutlich. "Dem Schlappmaul un dem Affezibbel ..." - aber weiter kommt der betrunkene Pfälzer nicht. Er kippt von der Bank, liegt auf dem Rücken, wie ein Käfer, und verstummt augenblicklich. Frau und Sohn (FCK-Fan) richten ihn auf und tragen ihn weg. Ob dieser seltsamen Beobachtung nehmen wir jeder einen tiefen Schluck aus unserem Dubbeglas. "Mein Gott, dieser Dialekt ist ja zum weglaufen", verlacht Anton die Pfälzer Sprooch und während er sich über die Hausmacher Blut- und Leberwürste hermacht, entweicht mir ein sehr übler Atomfurz. Nach der Schelte **meiner Wanderkameraden bestelle ich Sommersaumagen mit Pfifferling-Kartoffelpüree für 16 €.

Lloyd, Foyer der JH Oberotterbach* - 19.09.02 at 16:36:21

Auch hier waren bestimmte Stellen gelb gemarkert und/oder mit Ausrufe- und Fragezeichen versehen. Beiläufig schaute ich aus dem Fenster auf die Maximilianstraße, die alte B9, die nach Norden über Rheinzabern bis nach Germersheim und Speyer bis nach Oggersheim, dem weltbekannten Wohnort eines früheren MP führt.  Noch weiter oben im „Hochhaus", das unsere Dienststelle beheimatet, konnte man bis zum Rhein im Osten und zur Haardt im Westen sehen. Dort oben hatte Schmenger sein Büro. Dort waren auch die Gästezimmer. Dort war in den Siebzigern der Puff. Der richtige Ort also, für eine Dienststelle wie die unsere. Der letzte Spross der Ludovicis hatte hier baulich experimentiert. Vorgefertigte Kugelhäuser und eben dieses Hochhaus im Mailänderstil hatten ihn überdauert. Ansonsten erinnerten nur noch bunte, glasierte Ziegel auf alten Dächern der Ziegeleisiedlung und der prächtigen Villa Ludovici an die Ziegeleigründer, die bescheidenen Wohlstand in den Flecken am Hochgestade des Rheins gebracht hatte. Auch die hiesigen, rechtschaffenen Menschen wurden in diesen Machwerken verspottet. Ich beschloss, diesen Fall zu einer Herzensangelegenheit zu machen. Scheiß auf den Brückentag! Zieht Euch warm an ihr Niergolzinger Defätisten!

„Zu der Frage, ob eine oder mehrere Personen: Ganz klar, mindestens zwei - falls der sogenannte Anton einigermaßen richtig beschrieben ist - drei unterschiedliche Personen." Schlicher stellte sich mit dem ausziebaren Zeigestab, Delesgobboinder wie er zu sagen pflegte, neben die Projektionswand. Wenn er referierte verlor sich sein Sächsisch fast ganz. „Gott sei Dank" wie Schmenger im kleinen Kreis, zu wiederholen nicht müde wurde. „Männer: Pennthaus Mitte Fünfzig, Lloyd Mitte Dreißig, Anton, aus zweiter Hand beschrieben beurteilt, in etwa Pennthaus-Kaliber." Seine Einsfünfundsechzig auf Zehenspitzen gegen die Einssiebzig streckend schaute er von Schmenger zu mir, Wichtigkeit ausstrahlend. „Nicht wirklich Freunde. Leidensgenossen eher."

 Fortsetzung

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